Eine persönliche Erfahrung aus dem Alltag.
Aus dem Tag eines VEDANTA-Navis (Fortsetzung)
10 Uhr vor dem Schulhaus. Kinder spielen auf dem Pausenplatz. Der Bau ist sehr lang. Vor dem Mittag besuche ich eine Klasse im Trakt B, Zimmer 205. Mit Rollkoffer und Material gehe ich auf das Tor dieses steinernen Baus zu. Ein Ball hat mich an meiner Wade touchiert. «Entschuldigung», ruft ein Junge und rennt dem bereits wieder in Richtung Veloständer rollenden Ball hinterher. Ich lächle. Die Sonne blinzelt durch die nahen Bäume. Ich bin zufrieden mit dem Leben und meiner Arbeit der Umweltbildung und trete ein.
Der Eingang der Schule ist etwas dunkel, Erinnerungen an meine eigene Schulzeit tauchen auf. Wie war das doch damals, so hänge ich den Gedanken nach, als ich selbst noch ein Junge war. Noch immer gibt es eine Scheu, das Lehrerzimmer zu betreten. Noch immer bin ich es nicht gewohnt, einen Milchkaffee, ein Schöggeli oder sogar das «Du» angeboten zu bekommen. Noch immer erinnern mich die an der Garderobe hängenden Turnsäcke mit einem leichten Schauer an den, den ich damals doch über die Ferien hängen liess...
Und dann die Klassenfotos im Gang mit den Namen: Ensar, Mohammed, Ebru. Die sprechen sicher kaum Deutsch, denke ich, bestimmt ist es disziplinarisch nicht einfach mit ihnen. Und wahrscheinlich wird mein Unterricht dann auch noch von Lehrpersonen gestört, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten. Da war doch kürzlich auch so eine Schule, bei der ein Junge Schwierigkeiten hatte, dabei zu bleiben, frech war und mich sogar provozierte. Schon eine Herausforderung mit gewissen energiegeladenen Kindern. Ja, früher waren Lehrpersonen eben noch Respektspersonen, so murmelte ich, während ich in Richtung des besagten Schulzimmers schreite. «Halt!» – so rief es aus mir heraus. «Was denke ich die ganze Zeit darüber nach, was wie kommen könnte oder nicht gut ist?!»
Stille.
Ich atme tief ein und trete ins Schulzimmer. Durch das Fenster sind wieder die Bäume sichtbar, durch die das Sonnenlicht so schön scheint und viele der Kinder in ein goldenes Licht taucht. Die ganze Schulklasse ist da, alle malen etwas, die Atmosphäre ist entspannt. Ich richte mich ein, beginne meinen Unterricht und bin erstaunt: Die Kinder sprechen nicht nur sehr gut Deutsch, sondern sind voll dabei und finden meine Stunden sogar lehrreich und witzig. Wir sind in guter Stimmung, lachen und sind dennoch berührt von der Ernsthaftigkeit gewisser Themen. Wow. «Kommen Sie wieder einmal?» fragt ein kleines Mädchen lächelnd. Und ob ich eine Frau hätte, so interessiert es sich noch zusätzlich. Etwas gerührt ob dem Wohlwollen dieser Klasse, die nach dem Ertönen der Schulglocke so froh aus dem Zimmer saust, packe ich meine Sachen und verabschiede mich von der Lehrperson.
Wie ich über den Pausenplatz gehe, um mir ein paar Häuser weiter etwas zu essen zu kaufen, pfeife ich vor mich hin. Das Grün der Bäume ist durch die Mittagssonne intensiver geworden, das Rufen und Lachen der Kinder ist dem Zwitschern der Vögel gewichen und ich bin erfüllt. < Befreie Dich von Vorurteilen > , kommt mir in den Sinn. Auf einem Bänkli sitzt der Junge mit dem Ball vom Morgen – und lächelt mich an...
Photo von Andreas Fröhlich
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